Am Erker 61

Adrian Kasnitz: Schrumpfende Städte

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Adrian Kasnitz

 
Rezensionen
Adrian Kasnitz: Schrumpfende Städte
 

Anwesende Gegenden
Rolf Birkholz

In Meppen, an der B 70, scheint auch nicht beunruhigend viel los zu sein. "Und leise wippt Gestrüpp/ an der Uferböschung. Es gibt Dörfer/ im Umland, da soll Leben sein./ Vielleicht Jungschützen auf Zielsuche". Adrian Kasnitz findet - Schrumpfende Städte heißt sein neuer Gedichtband - vergehende Ziele. Aber die reine "Anwesenheit einer Gegend" kann auch bedrücken ("Alp").
1974 im Ermland geboren, doch aufgewachsen in Westfalen, lässt der Autor seine Sammlung mit einer doppelten Reverenz an Annette von Droste-Hülshoff anheben, "Aus dem gebirgichten Westfalen" und "Rüschhaus". Es folgen Beobachtungen "Auf den Wällen von Soest", aus Siegen und Köln.
Für den Titel steht vor allem "Schrumpfende Stadt (Hagen)": Der Schreiber sieht den Ort "zusammen/ gelegt wie ein Falkplan". Er schaut auf die "schrumpfende/ Karte der Empfindungen. Ein Planquadrat/ für jede Enttäuschung." Eine lyrische Abbruchskizze, kein Klagen. Andere Arbeiten zum Titelthema schließen sich an. Mit "Fordwerke Nord" gehört auch eines der seltenen Fabrikgedichte in diese Reihe. In "Landschaft mit Moschee" reimt sich Moschee, nachdem ein unwirtliches Gewerbegebiet in den Blick gerückt wurde, böse beiläufig auf "ok". Kasnitz hält einen beherrscht nüchternen Ton durch in seinen verzierungsfreien, oft eigenwillig gebrochenen Versen.
"Wie du siehst, ist da weiter nichts", atmet das poetische Ich an der Küste hörbar auf. "Schau nicht so. Mehr ist nicht versprochen/ als die mit Salz angereicherte Luft", gerät ihm "Nördlich von sonst" fast fremdenverkehrsamtstauglich. Dort oben fällt dem Kölner zur "Lautsprache des Wassers" ("Das tilgende Geräusch"), das die Zeichen im Sand überflutet, die auch für Lyrik relevante Formulierung "Form und Füllung" ein.
Paarungsverhalten der eigentlichen Art deutet Adrian Kasnitz an einigen Stellen ebenfalls an. Oder er nähert sich auf Seitenwegen Dichtern wie Heine, Kleist, Rimbaud und Verlaine. Nach Sappho hat er "Auf Lesbos allein" geschrieben: "Unter ging der Mond und/ verblichen die Pleiaden;/ die Nacht ist geteilt/ meine Stunden sind es nicht; das Bett ruht ohne Hauch." So ganz allein kann er in jener Nacht aber nicht gewesen sein - und so weit weg von Meppen.

 

Adrian Kasnitz: Schrumpfende Städte. Gedichte. 80 Seiten. Luxbooks. Wiesbaden 2011. € 19,80.