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Klett-Cotta
Brigitte Kronauer
Wagenbach
Ermanno Cavazzoni
Oktober Verlag
Matthias Altenburg

 
Fritz Müller-Zech 45
Die Kolumne
 

Eigentlich ist es mir schon immer schlecht gegangen. Wer einmal versucht hat, vom Verkauf kleiner Schriftstücke zu leben, weiß, wovon ich rede. Manchmal gibt es noch nicht einmal Geld, da manche Redaktion (die von 'Am Erker' nicht ausgeschlossen) offenbar meint, Autoren seien schon damit zufrieden, ihren Namen gedruckt zu sehen. Da freut sich der Zeilenknecht, wenn er wenigstens das Rezensionsexemplar behalten kann, um es gegebenenfalls antiquarisch zu versilbern. Doch auch das will nicht immer gelingen. Manche Neuerscheinung wird man nämlich nicht einmal zu einem Drittel des Ladenpreises los. Namen will ich hier nicht nennen, doch wundert mich angesichts solcher Erfahrungen die Tatsache nicht mehr, dass die Verlagsbranche des Klagens nicht müde wird. Andererseits hält sich mein Mitleid in Grenzen, denn solange "Trendbüros" "Trendbücher" herausgeben oder 50.000 Exemplare eines "Aufklärungsbuches für Männer" mit dem Titel Schicken ist fön in die Buchhandlungen befördert werden, geht es den Verlagen noch nicht schlecht genug.
Wer also um die notorische Geldknappheit von Schriftstellern weiß, kann die großartige Geste einer Brigitte Kronauer, die den Literaturpreis eines Fernsehsenders zurückgab, weil sich das damit verknüpfte Filmprojekt nicht in ihrem Sinne verwirklichen ließ, gar nicht genug bewundern. Dass solches Handeln sich nicht einer heroischen Naivität in pekuniären Dingen verdankt, kann man Kronauers kluger Rede "Die Lust an der Peinlichkeit: Geschichten vom Geld", die in ihrem Essayband Zweideutigkeiten abgedruckt ist, entnehmen.
Wollte mir heute jemand einen Preis verleihen, würde ich nicht lange zögern. Aber leider gibt es viel weniger Preise für Kritiker als für Dichter. Mit den Auszeichnungen, die man als Modellflieger bekommen kann, ist es auch nicht weit her. Außerdem vernachlässige ich diese Leidenschaft schon seit langem. Wochenlang habe ich keinen Fuß mehr in meine Werkstatt gesetzt. Wenn ich wenigstens stattdessen dicke Bücher gelesen hätte, könnte ich ja zufrieden sein, doch auch damit kann ich nicht dienen. Sie ahnen nicht, wie müde das Austragen von Supermarktprospekten machen kann. Da ist man froh, wenn man abends noch genug Energie aufbringt, Quizsendungen im Fernsehen zu verfolgen.
Doch das muss ein Ende haben. Die unerwartete Lebensmittelspende eines befreundeten Schriftstellers hat mich für die nächste Zeit der Notwendigkeit enthoben, im Schweiße meines Angesichts mein Brot zu verdienen. Sie werden sich fragen, was ausgerechnet einen Schriftsteller zu solch großzügigem Tun veranlasst haben mag. Nun, wie der italienische Autor Ermanno Cavazzoni richtig festgestellt hat, braucht jeder Schriftsteller einen Kritiker, damit er sich "einen Augenblick lang einbildet, er würde existieren". Der Schriftsteller nämlich, so Cavazzoni weiter, "ist nur ein flüchtiger Gast auf dieser Welt", der den Kritiker benötigt, um kurzfristig zum Leuchten gebracht zu werden. Meinem Schriftstellerfreund ist dieser Sachverhalt durchaus bekannt, schließlich weiß er, dass ich seit Monaten versuche, ein Exemplar seines letzten Romans über den Internet-Antiquar "Booklooker" zu verkaufen. Das Buch kam bereits im letzten Herbst auf den Markt, fand beeindruckte Rezensenten und nur wenige Käufer und ist mittlerweile in kaum einer Buchhandlung noch vorrätig. Das Fresspaket hat ihm ein Lebensmitteldiscounter in jener Kleinstadt, wo er seit drei Monaten das Amt des Stadtschreibers ausübt, zur Verfügung gestellt.
Also sitze ich nun, in der einen Hand ein Leberwurstbrot, in der anderen ein Buch, auf meiner Terrasse und freue mich über die Strahlen der Frühlingssonne ebenso wie über die Formulierungskünste Matthias Altenburgs, der mittlerweile so berühmt ist, dass alles, was er für diverse Presseorgane schreibt, später durch eine Buchveröffentlichung geadelt wird. Altenburg kann sich sehr schön aufregen und noch schöner begeistern. Seine Liebe zur guten Literatur ist groß und die Treue zu seinen Lieblingsautoren, die nicht selten wie Hermann Peter Piwitt vom Betrieb längst vergessen sind, vorbildlich. Manchmal erfindet er Typen wie den Staubsaugervertreter Harry, der in einer Hotelbar in Bremen die Grundregeln des Haustürverkaufs erläutert. Vielleicht gibt es Harry wirklich, aber auch dann ist er so gut wie erfunden, so ideal macht er sich als Kronzeuge in einer sprachkritischen Kolumne. Altenburg selbst benutzt gerne Wendungen wie "richtig doofer, verhurter Kitsch" oder "Pipimädchenprosa", um klarzustellen, was er nicht mag. Das klingt zum einen hübsch vorgestrig nach knorrigem altem Kritiker, aber, wegen des hingeschleuderten "richtig doof", auch erfrischend kindlich. Froh, dass es Matthias Altenburg gibt, stelle ich das Buch zurück ins Regal und hole einen Besen aus dem Keller. Die Werkstatt muss endlich mal wieder auf Vordermann gebracht werden.

 

Brigitte Kronauer: Zweideutigkeiten. Essays und Skizzen. 320 Seiten. Klett-Cotta. Stuttgart 2002. € 22,00.

Ermanno Cavazzoni: Die nutzlosen Schriftsteller. 187 Seiten. Wagenbach. Berlin 2003. € 19,50.

Matthias Altenburg: Partisanen der Schönheit. 184 Seiten. Oktober. Münster 2002. € 14,00.