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               Irgendwann sollte das Buch mal fünf Mark 
                kosten, dann nur noch zwei. Gekauft habe ich den Sammelband mit 
                drei Romanen Richard Starks und den 
                verräterischen, mit Bleistift auf die Innenseite des Einbands 
                gekritzelten Preisangaben für 9,80 Euro bei einem Internet-Antiquar. 
                Und ich fühle mich auch nicht übers Ohr gehauen. Schließlich 
                hat Parker, der eiskalte Berufsverbrecher, dem der kürzlich 
                verstorbene Donald E. Westlake unter einem seiner zahlreichen 
                Pseudonyme in gut zwei Dutzend Romanen ein Denkmal gesetzt hat, 
                im Moment Hochkonjunktur. Seit der Zsolnay-Verlag im vergangenen 
                Jahr mit dem Parker-Abenteuer Fragen Sie den Papagei einen 
                Überraschungserfolg bei Kritik und Publikum landen konnte, 
                ist die Nachfrage nach harten, lakonisch erzählten Gangsterstorys 
                offenbar stark gestiegen. Da werden für ein Ullstein-Taschenbuch 
                aus den frühen Siebzigern locker acht bis zehn Euro verlangt. 
                Mehr als zwanzig Jahre lang hatte Westlake nicht mehr als Richard 
                Stark geschrieben, bevor er Parker 1997 ein Comeback - so auch 
                der Titel des entsprechenden Romans - gönnte. Den Zeitunterschied 
                merkt man kaum. "Als die Frau schrie, wachte Parker auf und 
                ließ sich aus dem Bett fallen", lautet der erste Satz 
                in Die Gorillas (The Outfit, 1963). Keiner rennt 
                für immer, 2004 im Original erschienen, beginnt ebenso 
                unvermittelt: "Als er sah, dass der Mann, der Harbin hieß, 
                verdrahtet war, sagte Parker: Gib mir schon mal Karten' 
                und stand auf." Harbin hat in diesem Moment nur noch wenige 
                Sekunden zu leben, denn Parker geht kein Risiko ein. Und er kennt 
                keine Skrupel. So wie ein Bäcker Teiglinge in den Ofen schiebt 
                und ein Anstreicher Farbe an die Wand bringt, bricht Parker das 
                Gesetz, um an Geld zu kommen. Ob Einbruch oder Raubüberfall, 
                er arbeitet professionell und zielgerichtet. Doch nicht immer 
                läuft alles nach Plan. Mal ist auf seine Komplizen kein Verlass, 
                mal taucht Konkurrenz auf, mal ist ihm die Polizei auf den Fersen. 
                Aus diesen Komplikationen beziehen Richard Starks Romane ihren 
                Reiz. Denn man entwickelt ein gewisses Vergnügen daran zu 
                beobachten, wie Parker mit Problemen umgeht, und fühlt sich 
                merkwürdigerweise gar nicht unmoralisch dabei. Was daran 
                liegen mag, dass Stark seinen Anti-Helden mit Figuren umgibt, 
                deren menschliche Schwächen sie nicht unbedingt sympathisch 
                wirken lassen. Das Perfide an dieser Erzählstrategie ist, 
                dass sie funktioniert. 
                Diesen Dreh beherrscht auch der australische Kriminalschriftsteller 
                Garry Disher perfekt. Sein Serienheld 
                Wyatt - wie bei Parker ist kein Vorname nötig - findet sein 
                Auskommen ebenfalls, indem er gewöhnlich gut geplante Verbrechen 
                ausführt. Doch anders als sein amerikanischer Kollege ist 
                Wyatt ab und an gefährdet, sich Emotionen hinzugeben. Zudem 
                ist er zwar ein Einzelgänger, aber nicht vollkommen bindungslos. 
                Und dieser Umstand wird ihm in Niederschlag, dem vorerst 
                letzten Band der Reihe, beinahe zum Verhängnis, trifft er 
                doch auf seinen Neffen, der sich im selben Gewerbe bewegt, aber 
                längst nicht so kühl wie sein Onkel agiert. Garry Disher 
                hat einen ausgefuchsten mehrschichtigen Plot erdacht, in dem es 
                vordergründig um Kunstraub, versunkene Schätze und den 
                Racheplan eines früheren Komplizen Wyatts geht. Und wie man 
                es von Spannungsliteratur dieses Kalibers erwartet, werden die 
                unterschiedlichen Handlungsstränge bis zum blutigen Finale 
                auf elegante Weise miteinander verknüpft. Auf einer anderen 
                Ebene allerdings geht es auch darum, ob es so etwas wie einen 
                Ruhestand für Berufsverbrecher gibt, eine Frage, die einem 
                Kerl wie Parker so nicht zugemutet wird. Und Reflexionen wie diese 
                erst recht nicht: "Wyatt dachte an das missliche Durcheinander 
                in seinem Leben, dachte aber auch an die Liebe, die es nie gegeben 
                hatte." Dieser leicht sentimentale Zug ist vielleicht dafür 
                verantwortlich, dass uns eine Figur wie Wyatt auch nach der Lektüre 
                länger beschäftigt als der unterkühlte Parker, 
                der keinen Gedanken an die Vergangenheit verschwenden würde. 
                Darüber, was er als Nächstes tun wird, entscheidet die 
                Situation. 
                Große Pläne hingegen hat der Junkie und Kleingangster 
                Ernie Stark. Zwar steckt er gerade in der Klemme, weil ihn ein 
                hartnäckiger Polizist zu Spitzeldiensten nötigt, doch 
                eigentlich möchte er hoch hinaus. Also versucht er, alle 
                reinzulegen, seinen Dealerfreund Momo ebenso wie Detective Lieutenant 
                Crowley, der wissen will, wer tatsächlich die Fäden 
                des Drogengeschäfts in der Hand hält. Lockruf der 
                Nacht ist ein wüster Reißer, den die spätere 
                hard-boiled-Legende Edward Bunker bereits 
                Anfang der sechziger Jahre während eines seiner zahlreichen 
                Knastaufenthalte geschrieben hat. Nach Bunkers Tod 2005 wurde 
                das Manuskript in seinem Nachlass gefunden. Grell, pathetisch 
                und effektvoll wird die Story um Drogen und Sex in Szene gesetzt. 
                Von einem lakonisch-eleganten Stil, wie er Richard Stark und Garry 
                Disher auszeichnet, ist der junge Edward Bunker recht weit entfernt. 
                Pointierte Dialoge sind seine Sache nicht, und auch sein Repertoire 
                an sprachlichen Bildern scheint beschränkt: "Stark wachte 
                auf und war wie ein Raubtier schlagartig wach." Doch gerade 
                diese spürbare Abwesenheit von routinierter Kreativität 
                macht Lockruf der Nacht zu einer reizvollen Lektüre. 
                Und es ist nicht Bunkers geringstes Verdienst, dass er gar nicht 
                erst versucht, seine Hauptfigur zum coolen Sympathieträger 
                zu stilisieren. 
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