Am Erker 69

 

 
Texte
Am Erker 69, Münster, Juni 2015
 

Gabriele Frings
Wegweiser

Für spätere Mängel haben sie keine Haftung übernommen, sagte sie. Wie unmenschlich das sei. Darüber habe sie auch mal was gelesen, über die Folgeschäden, in Polen. Na, jedenfalls pflege sie ihn jetzt, sie müsse ja über die Runden kommen. Also manchmal, sie flüsterte fast, schlägt er ein rohes Ei auf den Handrücken, als ob ein Leben darin ist, das er befreien muss. Und dann esse er die Schale ganz schnell auf, als ob er, Moment: das Risiko eines Wiedereingeschlossenseins ausschließen wolle. Diese Psychologen – ob die das alles so richtig wissen? Na ja. Gestern sei es schlimm gewesen: wie eine Kopfgeburt, die nicht vorankommt, habe der Arzt erklärt. Er spürte wohl ein Dröhnen, das gegen seine Schädeldecke pulsierte, bis er es nicht mehr aushielt. Und dann schlug er den Kopf an die Wand wie sonst das Ei, um das Leben darin zu befreien. Sie seufzte, die Blutspuren will er sich partout nicht abwaschen lassen. Na ja, der Arzt meint, sie seien für ihn wie letzte Wegweiser zu sich selbst.